…oder: wovon wir reden, wenn wir vom Lesen reden…

Lesen – gibt es in Ihrem Umfeld auch so viele lesebegeisterte Menschen? Fallen Ihnen auf Anhieb die ersten drei Plätze Ihrer eigenen Top Ten der Lieblingsbücher ein? Welches Buch haben Sie mehrfach gelesen? Welches war Ihr Lieblingskinderbuch und welches Buch haben Sie vielleicht Ihren Kindern vorgelesen?

Ob Romane, Sachbücher, Wochenzeitungen oder die tägliche Lektüre der Zeitung zum Frühstück: Lesen versorgt uns auf vielfältige Art und Weise: mit Informationen, Wissen, Denkanstößen, Träumen, Zielen, Entspannung, Spannung, verschiedenen Sichtweisen, fremden Welten, Neuanfängen, Veränderungen, Tränen des Mitgefühls oder spontanen Lachanfällen … die Liste ist lang. Lesen kann uns in die Wirklichkeit holen oder uns aus genau dieser entführen. „Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, ist die der Bücher die Gewaltigste.“, sagte einst Heinrich Heine und wer will ihm widersprechen? Was aber, wenn die Lesefähigkeit nicht ausgeprägt ist? Wenn Lesen nicht Genuss, sondern Kampf mit schwer zu entschlüsselnden Zeichen ist? Wenn die Schule zum Zentrum des Frusts wird, denn Lesen benötigt man in nahezu jedem Fach – was dann? Wenn sich die von Heine besungene Welt nicht aus eigener Kraft erschließen lässt?

Wir verraten Ihnen kein Geheimnis, wenn wir sagen, dass die Lage in den Schulen angespannt ist. Lehrermangel, Stundenausfall, die Folgen von Corona, zu große Klassen, zu groß die Unterschiede zwischen den Schülern – denen die bereits lesend in die Schule kommen und denen, die sich jede Silbe, jedes Wort noch mühsam erarbeiten müssen. „Die Lesefähigkeit der Grundschüler schwindet“, verkünden wenig beruhigende Schlagzeilen. Es ist also höchste Zeit, die Sache selbst in die Hand zu nehmen und mehr zu tun, als bisher.

Das Lesekreis

Aus diesem Grund haben sich im Marianum verschiedene Menschen zusammengetan, die zwei Dinge vereinen: die Lust zu Lesen und die Freude an der Arbeit mit Kindern.

Pädagoginnen aus den Wohngruppen, Menschen aus Leitung und Verwaltung und Ehrenamtlerinnen treffen sich nun zweimal wöchentlich mit Kindern, um gemeinsam zu lesen. Es ist das Prinzip der absoluten Freiwilligkeit, die Kinder können mitbringen, was sie gerne lesen möchten, wir haben vorbereitetes Material vor Ort und sind offen für alles, was kommt.

Wir lesen laut mit, wir hören gut zu, wir erfreuen uns an jedem Engagement. Wir lernen mit, was die Kinder sich wünschen und gut gebrauchen können. Wir lachen viel und freuen uns über jedes gelungene Wort. Wir sind beeindruckt, was manch eine/r schon kann. Wir sind da, aus vollem Herzen und mit weit geöffneten Ohren. Wir freuen uns über alle, die kommen. Denn „nichts verscheuchte böse Träume schneller als das Rascheln von bedruckten Papier“ schreibt Cornelia Funke in „Tintenherz“ und genau diese Erfahrung möchten wir unseren Kindern ermöglichen.

Die erste Rückmeldung einer Grundschullehrerin hat uns bereits erreicht. Ein Schüler aus unseren Reihen mache im Lesen gerade große und erfreuliche Fortschritte. Was für ein süßer Lohn für zwei Stunden Zeitinvestition in der Woche! Das motiviert uns noch mehr, geeignetes Material zusammenzustellen, Methoden zu erforschen, die hilfreich sind und trotz all unserer vollen Terminkalender den Lesekreis mit vielen Menschen zu bestücken, um viele Möglichkeiten zu bieten. Ein Kind will mit einem Erwachsenen alleine lesen? Kein Problem. Zwei Viertklässler und ein Erstklässler haben verschiedene Bedarfe? Kriegen wir hin! Unterschiedliche Buchauswahl? Bekommen wir unter einen Hut.

Voltaire befand seinerzeit „Lesen stärkt die Seele“. Gibt es einen besseren Grund, einen Lesekreis stattfinden zu lassen?

Ach übrigens: die Überschrift haben wir an Haruki Murakamis Buch „Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede“ angelehnt und die Inspiration freundlich entliehen. So ist das nämlich mit dem Lesen, es gibt einem so viel!